Der Goodwill – ein umstrittener Begriff in einer neutralen Betrachtung

Der Goodwill ist für manche ein Mysterium, denn er ist nicht greifbar und es kursieren viele Gerüchte und Unwahrheiten. Wir klären auf.

 

Viele fragen sich, was der Goodwill überhaupt ist. Darf ich einen solchen verlangen? Und wenn ja, wie ist er zu berechnen? Um es vorwegzunehmen, der Goodwill ist der sogenannte immaterielle Wert der Praxis, und einen solchen zu verlangen, ist weder verboten noch unüblich, im Gegenteil.

Darf ich einen Goodwill verlangen?
Viele Ärzte/-innen hinterfragen oft den Goodwill einer Arztpraxis, sei es als Verkäufer/in wie aber auch als Käufer/in einer Praxis resp. eines Praxisanteils. Es ist ein schwieriges Thema, denn der Goodwill ist im Gegensatz zum Inventar nicht greifbar. Einige kantonale Ärztegesellschaften und grössere Spitäler empfehlen der Ärzteschaft, das Thema Goodwill schon gar nicht zu thematisieren. Sie verbieten allerdings die Goodwillforderungen und -zahlungen nicht, was nicht nur betriebswirtschaftlich korrekt ist, es wird auch vonseiten FMH Services wie auch FMH als gerechtfertigt angesehen (siehe Empfehlungen Delegiertenversammlung der FMH vom 31. Januar 2008 und «Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag», S. 182 ff.).

Was ist der Goodwill?
Beim Goodwill handelt sich um einen fiktiven Wert, den man nicht in die Hand nehmen kann. Umso mehr ist eine Aufklärung über den Goodwill und den Sinn dieses Wertes enorm wichtig. Doch was ist ein Goodwill?

Übersetzt man den Begriff wortwörtlich ins Deutsche, entsteht bereits eine gute Erklärung: «Guter Wille». Damit kann gesagt werden: Der Goodwill ist ein fiktiver Wert. Diesen gibt es nicht nur bei Arztpraxen, nein, alle Unternehmen wie z. B. ein Restaurant, eine Bäckerei, ein Architekturbüro, ein professioneller Sportklub sind davon betroffen oder auch kleinere Betriebe bis zu Unternehmen wie Coca-Cola. Laut betriebswirtschaftlicher Lehre wird der Goodwill wie folgt definiert: «Der Goodwill ist eine Grösse, welche die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Substanzwert (Inventar usw.) eines Unternehmens erklärt. Er beinhaltet sämtliche immateriellen Werte einer Firma, die buchhalterisch nicht erfasst werden können.» Wir sagen, er widerspiegelt den Organisationswert einer Unternehmung und beinhaltet viele «weiche Faktoren» einer Firma. Übernimmt ein/e Nachfolger/in oder ein/e Partner/in ein Unternehmen oder Anteile davon, so kauft er/sie nicht nur das Inventar ab, er/sie übernimmt auch das Personal, Telefonnummern, allenfalls eine neutrale Webseite, Lieferantenverträge, den Standort mit all seinen Vor- und Nachteilen, und zu guter Letzt übernimmt er/sie auch die Patientinnen und Patienten. Das Unternehmen ist organisiert, jeder Angestellte weiss, was zu tun ist, und der Betrieb funktioniert. Die Patienten/-innen sind es gewohnt bei gesundheitlichen Problemen in die ihnen bekannte Praxis zu gehen oder auf die bekannte Telefonnummer anzurufen. Je nach Fachrichtung haben Praxisinhaber/innen oft auch ein grosses Netzwerk an zuweisenden Ärzten. Dieses Netzwerk wird ebenfalls übertragen, und der/die Nachfolger/in oder der/die Partner/in profitieren davon.

Die/der Verkäufer/in hat so ein gut funktionierendes Unternehmen erschaffen und gepflegt. Der/die Nachfolger/in kann in die Fussstapfen treten und dort weitermachen, wo der/die Vorgänger/in aufgehört hat, vom ersten Tag an. Der/die Käufer/in muss also keine oder nur wenig Zeit (meist die Freizeit und Arbeitszeit) investieren, um sein/ihr Unternehmen zu erschaffen. Ihm/Ihr bleiben viele zeitintensive Aufgaben wie einen Standort suchen, Personal rekrutieren, mit dem Architekten die Pläne ausarbeiten, Material und Möbel auswählen, die Baustelle überwachen und die Evaluation von weiteren Geschäftspartnern wie den Telecomanbieter, EDV-Support, Laborpartner erspart. Wer einmal selbst ein Haus gebaut hat oder jemanden kennt, der eines gebaut hat, weiss, was auf einen zukommt.

Mit dem Goodwill gilt es auch, dem/der Verkäufer/in Respekt zu zollen dafür, dass er/sie das Unternehmen aufgebaut und so geführt hat, dass man heute eine gesunde Firma übernehmen und weiterführen kann. Das alles hat einen Wert: den Goodwill.

Berechnung des Goodwills
Es gibt viele Methoden zur Bestimmung des Goodwills. FMH Services hat bezüglich der Bewertung von Arztpraxen viel Erfahrung und wendet dazu ein selbst entwickeltes Verfahren an, welches sich bei Banken und in der Ärzteschaft seit Jahrzehnten bewährt hat sowie von den Gerichten in Scheidungsfällen anerkannt wird. Das Verfahren grob erklärt: Die Grundlage für den Wert des Goodwills bildet der durchschnittliche Jahresumsatz der vergangenen 3–5 Jahre einer Arztpraxis. 1/5 dieses Durchschnitts ergibt den Basiswert für den Goodwill. Um den definitiven Goodwill zu berechnen, werden die Praxis und ihre Umgebung einer Analyse unterzogen. Anhand dieser Analyse wird auf den Basiswert ein Auf- oder Abschlag berechnet. Ein Gespräch mit der/dem Praxisinhaber/in ist ein wichtiger Eckpunkt dieser Bewertung.

Weitere Aspekte des Goodwills
Wir bei FMH Services sind täglich mit dem Thema Goodwill konfrontiert – sei es bei unseren Bewertungen, aber auch bei Praxisübergaben. Die Banken sind nicht skeptisch gegenüber dem Goodwill, wenn ein/e Nachfolger/in einen Investitionskredit für die Praxisübernahme beantragt. Sie sehen dieses Thema als normal an und gewähren einen Kredit, um die Praxis zu kaufen und um allfällige Neuinvestitionen zu tätigen. Eine Praxisbewertung bzw. Praxisdokumentation, welche die Praxis mit all ihren Facetten beschreibt, ist oft von Vorteil bei den Verhandlungen mit den Banken. Mit dieser Bewertung sieht die Bank genau, was der/die Nachfolger/in übernimmt und welches Potenzial die Praxis hat.

Ein zusätzlicher Nutzen ist auch, dass die/der Nachfolger/in den bezahlten Goodwill in seiner/ihrer Bilanz aktivieren kann und über mehrere Jahre abschreiben darf. So verringert sie/er buchhalterisch seinen/ihren Gewinn und kann legal Steuern und Sozialabgaben einsparen.

FMH Services empfiehlt sowohl der/dem Verkäufer/in wie auch der/dem Käufer/in, sich mit dem Thema Goodwill auseinanderzusetzen, es gemeinsam zu besprechen und sich in einer Verhandlung auf einen Preis zu einigen.

 

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