Professionelle Finanzplanung als Basis für eine erfolgreiche Praxistätigkeit

Das derzeitige Unternehmensumfeld im Gesundheitswesen ist von hoher Komplexität geprägt.

 

 

 

Damit sich ein Jungunternehmer optimal und realistisch auf die selbstständige Tätigkeit in der eigenen Praxis vorbereiten sowie das unternehmerische Risiko überblicken kann, ist ein professioneller Finanzplan unabdingbar.

Herr Picht, seit Jahren unterstützen Sie Ärztinnen und Ärzte bei der Erstellung eines Finanzplans und bei der Sicherstellung der Finanzierung für den geplanten Weg in die Selbstständigkeit. Welches sind aufgrund Ihrer Erfahrung die wichtigsten Vorteile eines Finanzplans?
Gegenüber jungen Ärzten, die an uns gelangen, betone ich oft, dass die Bedeutung eines solchen Plans für sie persönlich am grössten ist. Am Ende des Finanzplanungsprozesses muss sich der Arzt über seine zukünftige Tätigkeit sicher sein, das Potenzial der Praxis kennen und auch wissen, wie gut er in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt mit der Praxistätigkeit zu bestreiten. Es versteht sich von selbst, dass der Arzt die volle Verantwortung für seinen Finanzplan gegenüber einer Bank oder anderen Geldgebern übernimmt. 

Wie können wir uns einen solchen Finanzplan vorstellen? Und wie geht man am besten vor?
Grundsätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass ein Finanzplan nie ganz korrekt sein wird. Also nehmen wir uns wenigstens die Zeit, ihn möglichst realitätsnah abzubilden. Denn eine Zukunftsprognose hängt von vielen Faktoren ab, deren Entwicklung häufig unbekannt ist. Es existiert jedoch eine Anzahl von Hypothesen, mit welchen ein gut durchdachter Plan erstellt werden und die Unsicherheit minimiert werden kann. Beim ersten Gespräch stelle ich eine Zusammenstellung der Elemente, die bewertet werden sollen, zur Verfügung. Diese hat sich im Laufe der Jahre meiner Tätigkeit kontinuierlich erweitert.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass jeder Fall einzigartig ist. Ein Arzt, der die Praxis eines pensionierten Kollegen übernimmt, hat nicht die gleichen Perspektiven wie ein Arzt, der seine Praxis an einem hart umkämpften Standort eröffnet – selbst wenn beide der gleichen Fachrichtung angehören.

Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht die kritischsten und wie können junge Ärztinnen und Ärzte von Ihrer langjährigen Erfahrung profitieren?
Aus meiner Sicht ist der kritischste Punkt der Cashflow-Plan. Viele Ärzte sind beunruhigt über die Anfangsinvestitionen und die langfristige Rentabilität ihrer Praxis. Aber sie sind sich nicht immer bewusst, dass die Finanzierung für den Beginn ihrer Praxistätigkeit notwendig ist. Die ersten Monate sind die wichtigsten: Die Investitionen sind getätigt und die Kosten vorhanden, während der Patientenstamm zum grössten Teil erst nach und nach wächst. Aus diesem Grund besteht in den ersten Monaten ihrer Tätigkeit ein erhöhter Finanzierungsbedarf.

Zudem unterscheidet sich ein Finanzplan eines Arztes in einer Einzelpraxis von einem Arzt, der in einer Gemeinschaftspraxis tätig ist. Im letzteren Fall müssen auch die Berechnung und die Umlage der gemeinsamen Kosten berücksichtigt werden.

Was ist entscheidend für die Qualität eines Finanzplans?
Der Arzt muss sich genügend Zeit nehmen, über die Inhalte des Finanzplans nachzudenken und diese pragmatisch und realistisch einzuschätzen. Ist ein Finanzplan zu pessimistisch, kann die Machbarkeit der Finanzierung von den Geldgebern verkannt werden und den Arzt entmutigen. Anderseits kann bei einem zu optimistischen Plan die Notwendigkeit zur Finanzierung unterschätzt werden, was den Arzt dazu zwingt, zu einem späteren Zeitpunkt bei der Bank eine Verlängerung des Kredits zu beantragen. Das sehen die Banken überhaupt nicht gerne.

Was ist nebst einem professionellen Finanzplan wichtig, um den Erfolg eines Unternehmens sicherzustellen?
Der Finanzplan ist kein Selbstzweck, sondern er ist der momentane Ausdruck einer möglichen künftigen Realität. Sobald die Praxis eröffnet wurde, gewinnt die Realität die Oberhand. Deshalb ist es immer sehr interessant, den erarbeiteten Plan einige Monate nach Beginn der Praxistätigkeit mit der Realität zu vergleichen. Die Tätigkeit in einer Arztpraxis nimmt keinen ruhigen Verlauf, sondern erfordert höchste Aufmerksamkeit. Antizipation ist das Schlüsselwort: die Fähigkeit, mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen und den Kurs entsprechend zu korrigieren, ermöglicht es der Praxis (und damit auch dem Arzt), sich den möglichen Stürmen des Lebens zu stellen. Vergessen wir nicht: In den meisten Fällen verfügt ein Arzt, der sich neu in die Selbstständigkeit begibt, über keinerlei betriebswirtschaftliche Erfahrung. Neben immer wichtiger werdenden Aufgaben in der täglichen Praxistätigkeit ist dies eine grosse Herausforderung.

 

Zur Person
Michel Picht hat den Master in Wirtschaftwissenschaften (HSW)

Anthill Sàrl*
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1030 Bussigny
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*Anthill Sàrl ist ein von der FMH Services Genossenschaft empfohlenes, rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Beratungsunternehmen.

 

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