Das elektronische Patientendossier (EPD) wird nach 15 Jahren Realität

Was macht die Schweiz anders oder gar besser? Wie kann das EPD (elektronisches Patientendossier) in einer Arztpraxis eingesetzt werden?

 

 

Seit 2022 können Patientinnen und Patienten ein EPD eröffnen. Die Einführung des EPD in der Schweiz war von einem langjährigen Strategie- und Umsetzungsprozess geprägt. Bereits im Jahr 2018 hat die Bertelsmann-Stiftung eine Studie zu Digitalisierungsstrategien, wozu das EPD gehört, im internationalen Vergleich publiziert.

Das elektronische Patientendossier (EPD), ist das Ergebnis eines rund fünfzehn Jahre dauernden Strategie und Umsetzungsprozesses. Knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) bleibt das Ziel des Bundes, ein schweizweites EPD einzuführen, unter seinen Erwartungen. Früh hat sich gezeigt, dass der Gesetzgebungsprozess den sich stetig verändernden technischen Entwicklungen sowie den organisatorisch-strukturellen Veränderungen, denen das Gesundheitswesen unterworfen sind, nur ungenügend Rechnung trägt. Da der digitale Austausch kein Selbstzweck ist, ist es unabdingbar auf die Bedürfnisse derjenigen einzugehen, die das EPD in ihrer täglichen Arbeit einsetzen möchten oder gar müssen.

Digitale Kompetenz als Erfolgsfaktoren
Digitalisierung heisst Wandel – und damit dieser gelingt, müssen alle beteiligten Akteure dafür bereit sein. Die Studie Bertelsmann-Stiftung über die Digitalisierungsstrategien im internationalen Vergleich[1] zeigt, dass ein Changemanagement einschliesslich der Förderung von digitalen Kompetenzen der Gesundheitsfachpersonen sowie der Bevölkerung ein entscheidender und vielfach vernachlässigter Erfolgsfaktor bei der Umsetzung einer nationalen eHealth-Strategie ist. Immerhin dokumentieren gemäss der aktuellen Umfrage der FMH «Digital Trends Survey 2021» mehr als 70% der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte elektronisch. Die Vorteile der elektronischen Krankengeschichte werden auch von 78% der Bevölkerung geschätzt[2]. Die Offenheit der Bevölkerung gegenüber der Digitalisierung im Bereich der Dokumentation und des Datenaustauschs zeigt sich auch in der Bereitschaft, ein EPD zu eröffnen. Für die Ärzteschaft ergeben sich hiermit gute Gründe, sich mit dem EPD auseinanderzusetzen und eine aktivere Rolle einzunehmen, um dadurch ihre Forderungen für ein nutzbringendes EPD besser einzubringen können.

Für die Bewältigung dieser Aufgabe bleibt für die ambulant tätige Ärzteschaft nicht mehr viel Zeit. Denn mit der KVG-Revision zur Zulassungssteuerung, die am 19. Juni 2020 verabschiedet wurde, müssen Ärztinnen und
Ärzte, die ab 1. Januar 2022 neu zur Abrechnung ihrer Tätigkeiten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) zugelassen werden möchten, am EPD teilnehmen. Mit Annahme der Motion 19.3955 «Ein elektronisches Patientendossier für alle am Behandlungsprozess beteiligten Gesundheitsfachpersonen» der SGK-N am 8. März 2021 wird die Freiwilligkeit der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte gänzlich aufgehoben. Damit wächst der Druck auf die Ärzteschaft, die technischen und vor allem organisatorischen Veränderungen für die Anbindung einer Arztpraxis an das EPD zu planen.

Das EPD in der Arztpraxis einsetzen
Durch die Verpflichtung der Ärzteschaft zum EPD muss der Bund auch dafür sorgen, dass das EPD wirtschaftlich und zweckmässig eingesetzt werden kann. Ein optimaler Einsatz des EPD im Praxisalltag bedingt, dass die Anbieter/innen von Praxissoftwaresystemen die mit dem EPD verbundenen Arbeitsschritte ebenso optimal in deren Abläufe integrieren. Zwar geniesst die Förderung der Anbindung des EPD in die Praxissoftwaresysteme höchste Priorität in der eHealth-Strategie von Bund und Kantonen, jedoch zeigt die Umsetzung des EPD in den zertifizierten Stammgemeinschaften leider ein noch anderes Bild. Gemäss den Berichten zur formativen Evaluation des EPDG verfügen – wenn überhaupt – nur die wenigsten der untersuchten somatischen Spitäler, Rehakliniken oder psychiatrischen Institutionen über eine volle Integration des EPD in deren Primärsysteme[3]. Diese Entwicklung könnte nun zur Stolperfalle und sogar den eigentlichen Nutzen des EPD in Frage stellen, da vielerorts die Daten im EPD aufwändig erfasst werden müssen. In dieser Stolperfalle befinden sich auch Vorzeigeländer wie Israel. Gemäss der Bertelsmann-Studie ist der interoperable Datenaustausch in Israel zwischen privaten und staatlichen Gesundheitseinrichtungen aufgrund des mangelnden Willens nur zu einem Teil möglich. Was ist also zu tun?

Für eine digitale Zukunft der Gemeinschaft der Ärztinnen und Ärzte
Die FMH hat bereits 2014 darauf hingewiesen, dass freischaffende Ärztinnen und Ärzte selbst handeln müssen. Es gilt, eine eigene Infrastruktur aufzubauen, welche die Kosten für den einzelnen minimiert, ihm den Anschluss an bestehende und kommende eHealth-Lösungen ermöglicht und dennoch den Schutz aller Patientendaten garantiert[4]. Im Hinblick auf diese Vision gründeten die FMH, die Ärztekasse und HIN gemeinsam die AD Swiss, welche sich unter anderem für den Aufbau einer EPD Gemeinschaft einsetzt. Die daraus hervorgegangene AD Swiss EPD Gemeinschaft ist eine im EPDG definierte organisatorische Einheit von Gesundheitsfachpersonen und die einzige EPD-Gemeinschaft in der Schweiz.

Die AD Swiss stellt den Mitgliedern der AD Swiss EPD Gemeinschaft einen gesetzeskonformen Zugang zum EPD zur Verfügung[5]. Das Gesetz, die Technik bzw. die zugrundeliegenden Standards und alle (Stamm-)Gemeinschaften garantieren die Kompatibilität untereinander. Damit haben Mitglieder der AD Swiss EPD Gemeinschaft in allen Kantonen der Schweiz Zugang zu den Dossiers ihrer Patientinnen und Patienten – unabhängig davon, welcher Stammgemeinschaft beispielsweise die Spitäler und andere Leistungserbringer in der Region angehören.

Dieser Service richtet sich ausschliesslich an Gesundheitsfachpersonen und deren Organisationen. Neben einem Portalzugang wird der EPD-Service künftig auch via angeschlossene Primärsysteme genutzt werden können. Somit steht einer Integration des EPD in die Arztpraxis nichts mehr im Weg. Der Zentralvorstand der FMH empfiehlt den Mitgliedern der FMH den Anschluss an die ärzteeigene AD Swiss EPD Gemeinschaft[6].

Quellenverzeichnis
[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/smarthealthsystems
[2] https://www.fmh.ch/themen/ehealth/trends-neue-technologien.cfm#i151557
[3] https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/evaluationsberichte/evalber-gesundheitsversorgung.html#accordion1635155595647
[4] https://saez.ch/journal le/view/article/ezm_saez/de/saez.2014.02896/1bfee632be4a24db05aece70903d313234979c75/saez_2014_02896.pdf/rsrc/jf
[5] https://www.ad-swiss.ch/ad-swiss-epd-gemeinschaft/mitgliedwerden/
[6] https://www.fmh.ch/ les/pdf25/position-der-fmh-zum-epd.pdf

 

Zur Person
Reinhold Sojer, Leiter Abteilung Digitalisierung/eHealth der FMH

Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH
Elfenstrasse 18
3006 Bern
Telefon 031 359 11 11
info@fmh.ch
www.fmh.ch

 

Fachartikel