Vorsorgeauftrag/Patientenverfügung

Seit gut 10 Jahren ist der Vorsorgeauftrag ein Dauerbrenner. Man könnte meinen, dass das Thema so langsam an Aktualität verliert. Dem ist nicht so.

 

 

In den letzten Jahren haben die vorwiegend negativ behafteten Medienberichte abgenommen, doch noch immer gibt es viele Leute, welche das Thema für sich noch nicht geregelt haben. Mit der Einführung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz (ZGB Art. 360 – 459) am 01.01.2013 wurde das Vormundschaftsrecht abgelöst. Darin regelt der Bund die minimalen Vorgaben bezüglich der Umsetzung sowie deren Organisation. Somit wird beispielsweise festgelegt, dass die zuständige Stelle eine Fachbehörde, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), sein muss. Der Aufbau und die Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzes, liegt jedoch in der Kompetenz der Kantone, welche Ihre Bestimmungen in Einführungsgesetzen sowie dazugehörige Verordnungen erlassen haben.

Welche Ziele wurden mit der Einführung des neuen Gesetzes verfolgt
Früher wurde der Kindes- und Erwachsenenschutz auf Stufe Gemeinde organsiert und vielerorts durch Laien umgesetzt. Durch eine Zentralisierung sollen die Fallzahlen und damit die Erfahrung der zuständigen Stellen erhöht und dadurch eine Professionalisierung der Behörde (KESB) erreicht werden. Mit der Einführung der neuen Instrumente wie bspw. Vorsorgeauftrag oder Patientenverfügung soll die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung gefördert und das Mitspracherecht der Familie gestärkt werden. Das Mitwirkungsrecht der Familie beschränkt sich jedoch auf die Vertretung der Ehegatten bei Rechtshandlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs, die ordentliche Verwaltung des Einkommens und der Vermögenswerte und nötigenfalls der Befugnis zur Öffnung der Post sowie das Vertretungsrecht von Angehörigen und Ehegatten bei medizinischen und pflegerischen Fragen. Weiter soll durch eine individuell zugeschnittene Beistandschaft von Gesetzeswegen nur so weit wie nötig, dem Einzelfall entsprechend, eingegriffen werden (4 Arten: Begleitbeistandschaft, Vertretungsbeistandschaft, Mitwirkungsbeistandschaft und umfassende Beistandschaft).

Zuständigkeit: die neue Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)
Je nach Kanton ist die KESB ein Gericht oder eine gerichtsähnliche Behörde mit dem Auftrag, im Erwachsenenschutz die wichtigen Entscheidungen zu treffen, Massnahmen anzuordnen und entsprechend zu überwachen. Eine KESB besteht jeweils aus mindestens 3 Behördenmitglieder. Jedes dieser Mitglieder ist für einen Bereich verantwortlich. Davon muss mindestens ein Vertreter der Fachrichtung Recht und Soziale Arbeit mit mehrjähriger Berufserfahrung vertreten sein. Entscheide werden jeweils von drei KESB-Mitgliedern gefällt. Nur wenige Fragen dürfen von einem KESB-Mitglied allein entschieden werden. Für jeden Entscheid muss die KESB ein Entscheidungsverfahren durchführen und trifft mithilfe von KESB-Mitarbeitern, Sozialdiensten und Gutachtern die für einen Entscheid notwendige Abklärungen. Dabei steht die Vermittlung von freiwilliger Hilfe im Vordergrund. Das Ziel ist es, mit den Betroffenen eine einvernehmliche Lösung zu finden. Das Begleiten und Betreuen von Betroffenen im Alltag ist nicht die Aufgabe der KESB. Diese Arbeiten werden von Beiständen, Sozialdiensten, Institutionen wie bspw. Alters- und Pflegeheime und Beratungsstellen erbracht.

Wann greift das Gesetz
Grundsätzlich sind erwachsene Personen für sich selbst verantwortlich und in der Lage über ihre Zukunft selbst zu entscheiden. Sie können somit durch ihre persönlichen Handlungen Rechte und Pflichten begründen. Nach der schweizerischen Gesetzgebung wird dies als Handlungsfähigkeit bezeichnet. Voraussetzungen zur Handlungsfähigkeit sind, volljährig und urteilsfähig zu sein (Art. 13 ZGB). Somit ist im Sinn des ZGB jede Person handlungsfähig, die das 18. Lebensjahr vollendet hat und nicht infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftmässig zu handeln.

Durch den Verlust bzw. Teilverlust der Urteilsfähigkeit ist eine der beiden Voraussetzungen für die Handlungsfähigkeit nicht mehr gegeben. Somit ist es der Person nicht mehr zu hundert Prozent möglich, die Selbstverantwortung wahrzunehmen. Ab hier greift auf Anzeigen hin die KESB zum Schutz der betroffenen Erwachsenen Person ein.

Welche Instrumente kennt das Erwachsenenschutzrecht

  • Private Vorsorge: Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung
  • Gesetzliche Vertretung: Ehegatte für die Alltagsgeschäfte und Angehörige zur Mitsprache bei medizinischen Fragen
  • Beistandschaft

Was gilt ohne Vorkehrungen
Die neue gesetzliche Regelung des Erwachsenenschutzes beabsichtigt die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von einer urteilsunfähigen Person. Durch die grössere Freiheit bei der Mitbestimmung steigt jedoch auch die Eigenverantwortung die entsprechenden Vorkehrungen frühzeitig zu treffen und einen Vorsorgeauftrag sowie eine Patientenverfügung aufzusetzen. Denn durch den Eintritt der Urteilsunfähigkeit erlischt auch die Möglichkeit dieser Mitbestimmung. Leider kann dieser Zeitpunkt jederzeit und völlig unerwartet eintreten. Sollten sie keine Vorkehrungen getroffen haben, kommen die gesetzlichen Vertretungsrechte zum Tragen.

Vertretungsrecht der Ehegatten
Falls kein Vorsorgeauftrag besteht, besitzt bei Eintritt der Urteilsunfähigkeit einer Person deren Ehegatte oder eingetragene Partner, welcher mit der betroffenen Person im gemeinsamen Haushalt lebt oder zumindest regelmässig persönlich Beistand leistet von Gesetz ein Vertretungsrecht. Dieses Recht ist jedoch auf folgende Handlungen beschränkt:

  • Rechtshandlungen, welche zur Deckung des Unterhaltsbedarfs üblicherweise notwendig sind
  • Die ordentliche Verwaltung des Einkommens und der übrigen Vermögenswerte
  • Nötigenfalls die Befugnis, die Post zu öffnen oder zu erledigen

Auf den ersten Blick erscheinen die vorgesehenen Handlungen als ausreichend, bei näherer Betrachtung ist dadurch im Alltag eine Betreuung nur sehr eingeschränkt möglich. Sämtliche weiterführende Handlungen müssen zuerst vorgängig von der KESB abgesegnet werden. Als weiterführende Handlungen gelten bspw. bereits: Hypothekenerhöhungen, Vermietung und Verkauf von Liegenschaften, Übernahme oder Liquidation eines Geschäfts etc. Im Zweifelsfall muss also stets die Behörde um vorgängige Zustimmung angefragt werden.

Vertretung bei medizinischen Massnahmen
Hat die urteilsunfähige Person keine Patientenverfügung verfasst, wird die Behandlung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt unter Beizug der zur Vertretung berechtigten Person geplant. Selbstverständlich wird soweit möglich auch die urteilsunfähige Person in den Entscheidungsprozess einbezogen. Gemäss Gesetz sind folgende Personen der Reihe nach berechtigt, die urteilsunfähige Person zu vertreten und den vorgesehenen ambulanten oder stationären Massnahmen zuzustimmen oder zu verneinen:

  • Die Person, welche in einer Patientenverfügung oder Vorsorgeauftrag bezeichnet ist
  • Der Beistand mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen
  • Der als Ehegatte oder eingetragener Partner einen gemeinsamen Haushalt mit der urteilsunfähigen Person führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet
  • Die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt
  • Die Nachkommen, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig Beistand leisten
  • Die Geschwister, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig persönlich Beistand leisten

Auch wenn das Recht Vertretungsrechte für Ehepartner und deren gleichberechtigten eingetragenen Partnerschaften sowie Familienangehörigen vorsieht, sind diese mehr oder weniger beschränkt. Ebenfalls sind im Gesetzestext nicht einzelne Handlungen konkret beschrieben, sondern nur Handlungsgebiete festgehalten, welche Interpretationsspielraum zulassen. Im Zweifelsfall folgt dann immer eine Entscheidung durch die KESB.

Ob dieser Entscheid auch dem Willen der urteilsunfähigen Person entspricht ist insofern fraglich, da der Entscheid von einer Behörde gefällt werden muss, welche keine persönliche Beziehung zur entsprechenden Person hat. Auf jeden Fall ist zu empfehlen, sich nicht auf das gesetzliche Vertretungsrecht zu verlassen. Wenn man sicher gehen will, dass auch im Fall der Urteilsunfähigkeit in eigenem Sinne entschieden wird, sollte man dies in einem Vorsorgeauftrag und einer Patientenverfügung festhalten.

Vollmachten und deren Hinfälligkeit
Vollmachten legitimieren Beauftragte gewisse Rechtsgeschäfte anstelle des Auftraggebers vorzunehmen. Vollmachten werden durch deren Ausstellung gültig und sind entgegen dem Vorsorgeauftrag nicht an ein Ereignis (Eintritt der Urteilsunfähigkeit) gebunden. Vollmachten, welche bereits gültig sind und in denen explizit erwähnt wird, dass diese auch weiter gelten sollen falls der Vollmachtgeber urteilsunfähig geworden ist, bleiben auch nach dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht gültig, auch dann noch, wenn die Urteilsunfähigkeit eintritt. Hingegen ist es nicht mehr möglich, Vollmachten zu erteilen, welche erst ab Eintritt der Urteilsunfähigkeit ihre Gültigkeit erlangen. Dies ist nur mit einem Vorsorgeauftrag möglich, der vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit erstellt wurde. Da die Praxis bezüglich bestehender Vollmachten keine einheitliche Handhabung zeigt und die Unterschiede in den kantonalen Auslegungen sehr gross sind, sollte eine bereits bestehende Vollmacht zusätzlich durch einen Vorsorgeauftrag abgesichert werden.

Einrichtung des Vorsorgeauftrages
Wie anfangs erwähnt, setzt die Errichtung eines Vorsorgeauftrages die Handlungsfähigkeit voraus. Somit muss die Person, die einen Vorsorgeauftrag errichten möchte, im Zeitpunkt der Errichtung volljährig und urteilsfähig sein. Es gibt zwei Möglichkeiten einen Vorsorgeauftrag gültig zu errichten. Entweder wird er komplett von Hand geschrieben, datiert und unterzeichnet oder aber durch einen Notar öffentlich beurkundet. Ohne Einhaltung dieser Formvorschriften kann der Vorsorgeauftrag nicht für wirksam erklärt werden. Im Vorsorgeauftrag müssen Aufgaben, die der oder den beauftragten Personen übertragen werden sollen, möglichst klar umschrieben werden. Je genauer die Instruktionen festgehalten werden, desto einfacher können die Beauftragten den Auftrag ausführen.

Als Beauftragte kommen sowohl natürliche wie auch juristische Personen in Frage. Es können auch mehrere Personen eingesetzt werden, wobei darauf zu achten ist, dass die Zuständigkeiten klar abgegrenzt sind, um Streitereien vorzubeugen. Bei mehreren Personen wird empfohlen die einzelnen Aufgabenbereiche aufzuteilen. Im Vorsorgeauftrag können die Bereiche Personensorge (alles was mit der Persönlichkeit zusammenhängt, z. B. Fragen betreffend Wohnen, das Öffnen der Post, Vertretung bei medizinischen Belangen), Vermögenssorge (Zahlungsverkehr, Verwaltung des Vermögens, Verkehr mit Banken) und die Vertretung im Rechtsverkehr (Vertretung gegenüber Behörden, Gerichten und Privaten) geregelt werden. Speziell erwähnt werden müssen bspw. Kontosaldierungen und der Zugriff zu Bankschliessfächern, die Veräusserung oder Belastung von Grundstücken, das Ausrichten von Schenkungen etc. (siehe auch Art. 396 Abs. 3 OR).

Der Vorsorgefall
Tritt die Urteilsunfähigkeit ein, ist folgendes Vorgehen vorgesehen:

  • Prüfen ob die urteilsunfähige Person ein Vorsorgeauftrag erstellt hat
  • Einreichen des Vorsorgeauftrages an die zuständige KESB
  • Prüfung (Validierung) des Vorsorgeauftrages durch die KESB
  • Gespräch zwischen der KESB und dem oder den Beauftragten
  • Mandatsannahme durch die Beauftragten
  • Ausstellung der Legitimationsurkunde für die Beauftragten durch die KESB

Erst nach erfolgter Validierung und entsprechender Ausstellung der Legitimationsurkunde durch die KESB erlangt der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit. Bei der Validierung prüft die KESB, ob der Vorsorgeauftrag gültig errichtet wurde, die Urteilsunfähigkeit tatsächlich eingetreten ist, ob die beauftragte Person geeignet und bereit ist den Auftrag anzunehmen. Um die Eignung der vorsorgebeauftragten Person festzustellen führt die KESB mit dieser ein persönliches Gespräch und überprüft den Straf- und Betreibungsauszug. Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird die Legitimationsurkunde mit Angabe der beauftragten Personen sowie deren Befugnisse und Aufgaben ausgestellt. Damit endet grundsätzlich der Kontakt zur Behörde. Die KESB hat somit keine Pflicht zur dauernden Überwachung der Beauftragten. Eine solche müsste als Regelung im Vorsorgeauftrag entsprechend vorgesehen werden. Dieses Vorgehen entspricht dem im Gesetz vorgesehenen Ablauf.

Aufgaben der beauftragten Person
Sofern die beauftragte Person den Auftrag (Auftragsrecht) annimmt, müssen die im Vorsorgeauftrag bezeichneten Geschäfte unter Berücksichtigung der Weisungen des Auftraggebers im umschriebenen Rahmen besorgt werden. Grundsätzlich sind die Aufgaben persönlich zu erfüllen. Es können bei Bedarf jedoch Hilfspersonen zugezogen werden. Der Vorsorgebeauftragte kann den Auftrag mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten kündigen. Die Bestimmungen über den einfachen Auftrag sind anwendbar, soweit das ZGB nicht abweichende Bestimmungen festhält. Damit sichergestellt ist, dass die beauftragte Person das übertragene Vertrauen nicht missbraucht und die übernommenen Aufgaben ordnungsgemäss ausführt, bleibt jederzeit ein Mindestmass an behördlicher Eingriffsmöglichkeit bestehen. Die KESB kann jederzeit auf Antrag oder von Amtes wegen, die erforderlichen Massnahmen ergreifen. Wie bereits erwähnt, können aber auch im Vorsorgeauftrag Kontrollmechanismen vorgesehen werden (Bspw. eine regelmässige Berichterstattung und Rechenschaftsablage an bezeichnete Personen oder die KESB).

Zusammenfassung und Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Instrumenten

Vorsorgeauftrag

  •   Personen- und Vermögenssorge sowie die Vertretung im Rechtsverkehr
  •   Handschriftlich oder mit notarieller Beurkundung
  •   Auftrag an natürliche und juristische Person möglich
  •   Zum Errichten muss die Person volljährig und urteilsfähig sein
  •   Hinterlegung beim Zivilstandsamt möglich (je nach Kanton)

Patientenverfügung

  •   Begrenzt auf medizinische Fragen
  •   Schriftlichkeit ausreichend – kann somit auf Computer geschrieben und anschliessend unterzeichnet werden
  •   Zum Errichten muss die Person urteilsfähig sein
  •   Auftrag nur an natürliche Person möglich
  •   Hinterlegung auf Krankenkassenkarte und Hausarzt möglich, viele Vorlagen haben eine Hinweiskarte auf eine Patientenverfügung in Kreditkartengrösse zum Aufbewahren im Portemonnaie (empfohlen, da diese im Falle eines Unfalls schnell gefunden werden kann)

Ehegattenvertretung

  •   Vertretung in sehr beschränktem Umfang möglich (Alltagsgeschäfte)
  •   Genaue gesetzliche Umschreibung fehlt
  •   Rechtssicherheit in der Praxis fraglich

Vollmacht

  •   Gültigkeit ab Erstellung
  •   Begrenzung der Gültigkeit auf den Zeitpunkt der Urteilsunfähigkeit nicht möglich
  •   Durchsetzbarkeit bei einer Urteilsfähigkeit in der Praxis fraglich, auch wenn dies explizit in der Vollmacht vorgesehen wurde

Willensvollstreckung

  •   Verfügung auf den Tod
  •   Vollmacht (Urteilsfähigkeit) – Vorsorgeauftrag (Urteilsunfähigkeit) – Willensvollstreckung (Tod)

Fazit
Zur bestmöglichen Absicherung der meisten Lebenslagen wird somit das umfassende Paket mit der Vollmacht, dem Vorsorgeauftrag, einer Patientenverfügung und einem Testament empfohlen.

 

Zur Person
Christoph Lautenschlager ist Dipl. Treuhandsexperte

TBO Treuhand AG*
Steinstrasse 21
8036 Zürich
Telefon 044 457 15 75
mail@fmhtreuhand.ch
www.fmhtreuhand.ch

*TBO Treuhand AG ist ein von der FMH Services Genossenschaft empfohlenes, rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Beratungsunternehmen.

 

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