Kauf einer Arztpraxis: Welches ist der faire Wert?

Irgendwann kommt für viele Praxisbesitzer/innen die Frage: Was zahlt man im Markt für eine Praxis? Die gleiche Frage stellen sich auch Ärztinnen und Ärzte und weitere Akteure im Gesundheitswesen, welche eine Praxis übernehmen oder sich an einer Praxis finanziell beteiligen möchten. Eine Antwort darauf zu geben, ist nicht einfach, dennoch soll in diesem Artikel das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet werden.

Folgender Fall bringt die Thematik gleich etwas näher: Eine Praxis in der Unternehmensform einer juristischen Person, als AG konstituiert, wurde durch das Treuhandunternehmen des Praxisbesitzers mit CHF 24.5 Mio. bewertet. Die Käuferpartei ist mit einem «Gegengutachten » auf CHF 6.5 Mio. gekommen. Die Unterschiede in der Bewertung sind beachtlich und können grundsätzlich auch begründet werden. Es sind dabei verschiedene Bewertungsgrundsätze und damit auch eine unterschiedliche Zahlenbasis angewendet worden. Einerseits wurde beim viel höheren Wert die sogenannte DCFMethode (DCF = Discounted-Cash-Flow) verwendet. Dabei stellt man – vereinfacht gesagt – Annahmen über die Zukunft auf: zukünftige Geldflüsse bspw. aus Umsätzen oder Investitionen werden auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abdiskontiert. Die Summe davon stellt den «heutigen Wert» des Unternehmens dar. Er zeigt auf, mit welchen Geldzuflüssen ein neuer Eigentümer in Zukunft rechnen kann. Auf der anderen Seite kam eine Methode zur Anwendung, welche auf aktuelle Zahlen resp. dem letzten Jahresabschluss basiert. Da stellt sich nun für den aussenstehenden die Frage, wo nun für diese Praxis der «faire» Wert bzw. Preis liegen soll. Die Antwort wird bei jeder Partei anders ausfallen, je nachdem, welche Sichtweise man einnimmt. Obiges Beispiel war auf eine juristische Person bezogen; die gleichen Themen stellen sich aber ebenso bei einer Praxis in Form einer Einzelunternehmung. Die Erfahrungen zeigen, dass gerade von der Käuferseite der Wille, hohe Aufschläge auf die Substanz zu bezahlen, eher gering ist. Das Argumentarium ist, dass man ja gleich nebenan eine Praxis eröffnen könnte und die Patientinnen und Patienten infolge eines Arztmangels die Praxis sowieso aufsuchen würden. Damit stellt sich wiederum die Frage, wie die Parteien auf einen geeigneten Preis gelangen.

Die DCF-Methode scheint nicht geeignet
Wenn man nun aber den Praxismarkt anschaut, dann wird ersichtlich, dass diese Vorgehensweise leider selten zu einem Verkaufsabschluss führt. Die FMH Services erstellt seit mehr als 30 Jahren Praxisbewertungen und kann in dieser Frage auf eine grosse Anzahl Erfahrungswerte zurückgreifen. Auswertungen der letzten Jahre zeigen immer wieder, dass sich die Preise für eine Praxis kaum an einer DCF-Methode anlehnen. Diese Methode scheint den Wert einer Praxis und damit einhergehend auch deren Refinanzierung schlecht wiederzugeben. Bei der DCF-Methode mit der zukunftsgerichteten Datenbasis gibt es immer wieder Diskussionen, wie sich der Tarif, die Taxpunkte oder auch die Kosten und damit der Gewinn resp. der Cash-Flow in Zukunft entwickeln, was schliesslich die Datenbasis der Bewertung darstellt. Zudem muss bei einer Gruppenpraxis natürlich der Ärztemangel ebenfalls berücksichtigt werden: Kann die gekaufte Praxis in Zukunft auch mit weiteren Ärztinnen und Ärzten betrieben werden? 

Wenn man die von den bekannten «Bewertungsunternehmen» erstellten Unternehmensbewertungen für Arztpraxen anschaut, so sieht man mittlerweile die DCF-Methode immer weniger. Die anderen gängigen Bewertungsmethoden wären einerseits die Praktiker- andererseits die Ertragswert- und Substanzwert-Methode. Alle gelangen in der einen oder anderen Form zur Anwendung. Was wäre nun aber die Empfehlung aus Sicht eines Branchenkenners? Zu empfehlen ist, was sich, wie in den meisten Fällen im Markt durchsetzt. Bei den Praxisverkäufer/innen wie auch Praxiskäufer/innen wird die Bewertung der FMH Services bevorzugt. Ausserdem zeigt sich, dass die so errechneten Unternehmenswerte durch die Banken finanziert werden. Damit wäre die Empfehlung, auf diese Methode zu setzen: FMH Services hat, wie oben beschrieben, vor über 30 Jahren eine eigene Bewertungsmethode geschaffen, welche seit dieser Zeit mehrmals den Marktbedürfnissen angepasst wurde. Die Methode kann sowohl bei Einzelfirmen als auch bei juristischen Personen angewendet werden. Auch kann sie bei kleinen Praxen wie bei grösseren Unternehmungen verwendet werden. 

Wert ist nicht gleich Preis
Ein wichtiger Aspekt bei der Preisverhandlung bleibt aber die Tatsache, dass eine Bewertung nur einen grundsätzlichen Wert für eine Praxis aufzeigt. Der errechnete Praxiswert müsste in einem Markt unter normalen Bedingungen erzielt werden können. Der finale Preis kann sich deshalb von diesem Wert unterscheiden, wenn im Markt, d.h. in der Region der Praxis Angebot und Nachfrage zu stark voneinander abweichen. Wenn also für eine Praxis nur ganz wenige oder sogar nur ein Interessent vorhanden ist, dann kann der Preis auch unterhalb der Bewertung liegen resp. vice versa.

Die Bewertungsmethode der FMH Services
Diese Bewertungsmethode unterscheidet je nach Gesellschaftsform verschiedene Module: Bei der Einzelfirma werden der Inventarresp. materielle Wert sowie der Goodwill resp. immaterielle Wert berechnet. Bei einer juristischen Person, also der Rechtsform AG oder GmbH, muss zusätzlich der Substanzwert der AG auf Basis der Bilanzzahlen berechnet werden. 

Die Berechnung des immateriellen Wertes beruht auf einer Basis von 20 % der durchschnittlichen Umsätze der letzten 3-5 Jahre, sofern sich diese nicht stark verändert haben. Auf dieser Basis wird dann ein Aufoder Abschlag berechnet, welcher sich an Faktoren wie Organisation, Kosten, Lage der Praxis, Personal, Patientenkollektiv etc. orientiert. Dabei wird auch ersichtlich, dass der immaterielle Wert nicht nur auf den Patientinnen und Patienten beruht, sondern auf einer bestehenden Praxisstruktur aufbaut.

Der Wert der materiellen Dinge wie Liegen, Ausbaukosten etc. wird mit degressiven Abschreibungssätzen zwischen 10 % bis 20 % kalkuliert, je nach Art des Gegenstandes. Mittels einer degressiven Abschreibungsmethode kann der Fortführungswert eines Gegenstandes am besten reflektiert werden.

Falls es sich wie oben beschrieben um eine Praxis in der Form einer AG handelt, ist noch die Substanz der Unternehmung zu ermitteln und zu den obigen Werten hinzuzufügen. Die Substanz einer AG entspricht vereinfacht gesagt dem in der AG befindlichen Eigenkapital, welches über die letzten Jahre erwirtschaftet wurde und bei einem Verkauf der Aktien mitveräussert wird.

 

Patrick Tuor
Leiter Beratung / Mitglied der Geschäftsleitung
lic.rer.pol., MAS in Managed Health Care

 

Fachartikel