Revidiertes Aktienrecht, die Uhr tickt

Seit dem 1. Januar 2023 gelten die Bestimmungen des revidierten Aktienrechts. Diese sind nicht nur für die Aktiengesellschaft, sondern zu einem grossen Teil auch für die Gesellschaft mit be-schränkter Haftung (GmbH) und die Genossenschaft anwendbar. Die Übergangsfrist für die statu-tarischen Anpassungen läuft am 31.12.2024 ab. Haben Sie Ihre Hausaufgaben schon gemacht?

Die Anpassungen beim revidierten Aktienrecht
Damit die gesetzlichen Neuerungen zur Anwendung kommen, müssen diese in den Statuten der Gesellschaft berücksichtigt werden. Aus diesem Grund gilt es die Statuten bis spätestens am 31. Dezember 2024 anzupassen.

Ich fasse kurz die wesentlichen Änderungen für die Arztpraxis zusammen:

  • Stichentscheid des Vorsitzenden an der Generalversammlung (GV): Soll der Vorsitzende keinen Stichentscheid haben, muss das in den Statuten festgehalten werden.
  • Ausschüttung von Zwischendividenden: Gestützt auf einen Zwischenabschluss kann die GV die Ausschüttung einer Zwischendividende beschliessen.
  • Statuarische Schiedsklauseln: Die Statuten können vorsehen, dass gesellschaftsrechtliche Strei-tigkeiten durch ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz beurteilt werden. Die Schiedsklausel bindet die Gesellschaft, die Organe und die Mitglieder der Organe sowie die Aktionäre, wenn die Statuten es nicht anders bestimmen.
  • Stärkung des Auskunfts- und Einsichtsrechts des Aktionärs: z. B. können die Geschäftsbücher und die Akten von Aktionären eingesehen werden, die zusammen mindestens fünf Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten. Der Verwaltungsrat (VR) gewährt die Einsicht innert vier Monaten nach Eingang der Anfrage.

Anpassungen
Wir empfehlen für Arztpraxen, welche als Gesellschaft (AG, GmbH oder Genossenschaft) firmiert sind und zwei oder mehrere Eigentümer beteiligt sind, die Änderungen zu prüfen und in die neuen Statuten einzupflegen, damit diese von den einzelnen Vorschriften profitieren können.

Verpflichtung für die ordnungsgemässe Führung der Gesellschafter-Verzeichnisse
Die Gesellschaften haben Register über ihre Gesellschafter ordnungsgemäss zu führen, in denen die Eigentümer und Nutzniesser mit Namen und Adressen eingetragen werden. Die Eintragung erfolgt erst wenn der Erwerb, bzw. das Recht nachgewiesen wird. Das Register muss so geführt werden, dass ein Zugriff darauf jederzeit möglich ist.

Das Gesellschafter-Verzeichnis heisst bei der Aktiengesellschaft das Aktienbuch über die Aktionäre und Nutzniesser (Art. 686 OR), bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist es das Anteilbuch über die Gesellschafter, Nutzniesser und zusätzlich die Pfandgläubiger (Art. 790 OR), bei der Genos-senschaft ist es das Genossenschafter Verzeichnis über die Genossenschafter (Art. 837 OR).

Anpassungen
Die Verwaltung der Gesellschaft muss sicherstellen, dass die Verzeichnisse digital und/oder phy-sisch abgelegt sind, ein Zugriff jederzeit möglich ist. Die Änderungen in den Verzeichnissen müssen bei einem Eigentümerwechsel sofort und vollständig nachgeführt werden.

Durchführung der Generalversammlung (GV)
Die GV kann seit der Revision folgendermassen abgehalten werden:

  • Schriftliche GV: Die GV kann ihre Beschlüsse schriftlich oder in elektronischer Form fassen.
  • Virtuelle GV: Die GV kann mit elektronischen Mitteln ohne Tagungsort durchgeführt werden.
  • GV mit «direct voting»: Der Verwaltungsrat kann vorsehen, dass Aktionäre, die nicht am Ort der GV anwesend sind, ihre Rechte auf elektronischem Weg ausüben können.
  • GV an mehreren Tagungsorten: Die GV kann an mehreren Orten gleichzeitig durchgeführt werden.
  • GV im Ausland: Die GV kann auch im Ausland durchgeführt werden.

Anpassungen
Diese Erleichterungen für die Durchführung der GV sind für Arztpraxen sinnvoll, wenn diese als Gesellschaft firmiert sind und mehrere Eigentümer haben. Um davon profitieren zu können, müs-sen die genannten erweiterten Möglichkeiten in den Statuten beinhaltet sein. Damit ist eine Gesell-schaft schnell und unkompliziert handlungsfähig, z.B. bei einem längeren Auslandsaufenthalt eines Eigentümers. Mit den Vorschriften über unterschiedliche Tagungsorte, wie auch über die virtuelle GV, kann diese unkompliziert stattfinden und jeder Eigentümer, auch wenn er nicht in der Praxis vor Ort ist, kann seine Teilnahme- und Mitwirkungsrechte ausüben. Dies ist insbesondere dann hilfreich, wo eine qualifizierte Mehrheit (z. B. 2/3 Mehr) für ein Rechtsgeschäft erforderlich ist.

Anpassung der Kapitalvorschriften

  • Aktienkapital in Fremdwährung: das Aktienkapital kann neu in einer Fremdwährung geführt werden, wenn dies für die Geschäftstätigkeit notwendig ist. Als Fremdwährungen zugelassen sind EUR, GBP, USD und der YEN
  • Kapitalband: Die GV kann den Verwaltungsrat ermächtigen, das Kapital während einer be-stimmten Zeitspanne innerhalb einer bestimmten Breite beliebig zu erhöhen oder herabzuset-zen.

Anpassungen
Diese Bestimmungen sind dann dienlich, wenn eine Arztpraxis schnell expandieren möchte mit zusätzlichen Eigentümern, diese nicht den etwas komplexeren Weg über eine Kapitalerhöhung gehen möchten und natürlich die bestehenden Eigentümer ihre bisherigen Beteiligungen behalten möchten. Die Bestimmungen betreffend des Aktienkapitals in einer Fremdwährung sind voraus-sichtlich in der Praxis weniger relevant.

Übergangsrecht
Gesellschaften, die den neuen Vorschriften nicht entsprechen, müssen innerhalb von zwei Jahren, somit bis zum 31. Dezember 2024, ihre Statuten und Reglemente den neuen Bestimmungen anpas-sen.

Wir empfehlen Ihnen die Anpassungen so schnell wie möglich vorzunehmen und helfen Ihnen ger-ne bei der Überprüfung der Statuten und Reglemente.

 

Marc Renggli
Consultant
lic.iur. / Rechtsanwalt

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